18 Dec 2017 - Matthias Voigt
Vor einigen Tagen wurden auf dem Tech Summit von Qualcomm die ersten Windows 10 on ARM Geräte für den Snapdragon 835 angekündigt. Unter den Anhängern von Smartphones mit Windows schürt diese Entwicklung natürlich viel Hoffnung, dass es demnächst wieder eben solche geben könnte.
Natürlich kommen dann auch die entsprechenden Gegenargumente, dass Microsoft Windows 10 Mobile eben nicht mehr weiterentwickelt. Aber genau da wird es meiner Meinung nach kompliziert. Warum? Bereits vor über einem Jahr wurde Windows Phone abgekündigt. Damals hieß es genauso, dass Microsoft den mobilen Markt aufgegeben hat. Allerdings war dies nur eine halbe Wahrheit. Mit Windows Phone wird das Betriebssystem Windows Phone 7, 8 und 8.1 bezeichnet. Dass diese nicht mehr weiterentwickelt werden, ist seit Release von Windows 10 Gewissheit. Einerseits verständlich, denn warum sollte ein veraltetes Betriebssystem noch neue Features erfahren? Andererseits auch ärgerlich, da entgegen Microsofts Versprechungen viele Windows Phone 8 Geräte eben kein Update auf Windows 10 Mobile bekommen haben. Da die Verkaufszahlen von Windows 10 Mobile keine signifikante Größe erreicht haben, wurde Windows 10 Mobile nun auch auf das Abstellgleis geschoben. Natürlich bekommen wir noch monatlich neue Sicherheitsupdates und selbst die halbjährlichen Redstone-Updates kommen noch in eingeschränkter Weise auf die unterstützten Geräte. Aber mit neuen Features ist wohl nicht mehr zu rechnen und damit wird die Zeit von Windows 10 Mobile wohl nun zu Ende gehen.
Aber aus der Sicht von Microsoft kann ich das verstehen. Man hat mit Windows 10 on ARM nun einen Punkt erreicht, an dem das bekannte Desktop-Windows auf Geräten mit ARM-Prozessoren läuft - eben genau das, was uns mit Windows 10 Mobile schon angekündigt wurde und in Teilen auch mit Windows Phone 8. Schließlich war das der Grund, warum WP7 Geräte kein Upgrade erhielten. Und nun erleben wir wieder ein Déjà Vu. Windows 10 Mobile Geräte werden natürlich kein offizielles Upgrade erhalten.
Nun stellt sich natürlich die Frage, ob es jemals Windows 10 on ARM Smartphones geben wird. Schließlich gibt es keine Telefon-App (und damit vermutlich keine integrierte API), die Nachrichten-App zeigt nur noch SMS vom Provider an und offiziell müssen Windows 10 on ARM Geräte mindestens ein 6” Display besitzen, was gerade so die obere Grenze für ein Phablet wäre. Dies sind alles Indizien, dass es in nächster Zeit wohl kein Smartphone geben wird - und ganz sicher nicht von Microsoft selbst. Aber ich glaube auch nicht, dass Microsoft sich dieser Entwicklung komplett entziehen würde. Ja, man hat die Priorität von Windows Mobile auf die unterste Stufe gesetzt. Damit ist aber W10M gemeint, dessen Weiterentwicklung nun reine Ressourcenverschwendung wäre.
Was spricht eigentlich für ein Smartphone mit W10ARM? Erst einmal, dass Windows 10 mit dem Snapdragon 835 die Prozessoren von aktuellen Flaggschiff-Smartphones bedient und damit noch auf dem Stand der Technik wäre. Wenn die Anpassung an den folgenden 845 durch besseres Know-How schneller geht, wäre die kommende Generation also noch aktueller. Zweitens wurde ein Großteil der vorhandenen UWP Apps bereits für Desktop und Smartphone geschrieben. Das heißt, dass mit dem Erscheinen eines solchen Gerätes kein App-Gap vorhanden wäre. Dieser Satz ist natürlich mit einem gewissen Grad an Sarkasmus zu verstehen, da gerade der Microsoft Store von App-Entwicklern vernachlässigt wird. Hier sieht man auch ein weiteres Indiz: Microsoft möchte mit Windows 10 S eine Version etablieren, die nur Apps aus dem Store ausführen kann. Aber solange es kaum Apps gibt, wird sich dieses System genauso wenig durchsetzen können wie Windows Smartphones mit deren leerem Store. Auch wenn ständig neue Apps hinzukommen, fehlen viele der offiziellen großen Apps. Es gibt aber auch wenig Gründe für Entwickler, UWP Apps anzubieten, wenn man mit Win32 viel mehr Möglichkeiten hat. Alternativ reicht auch eine Website, aber dann stellt sich die Frage, ob Consumer überhaupt ein Windows Gerät brauchen und nicht mit einem Chromebook zufriedener wären. Mit Smartphones im Angebot hätte man zumindest ein kleines Zugpferd, um den Entwicklern Windows Apps schmackhaft zu machen.
Schließlich gibt es immer noch die Hoffnung auf CShell. Damit ist eine einheitliche Oberfläche für kleine und große Displays gemeint. Wer Continuum genutzt hat, wird sofort bemerkt haben, dass das angepriesene Windows 10 Desktop-Feeling stark übertrieben war. Die Desktop-Oberfläche war eine ganz eigene und wurde vermutlich aufwändig, aber trotzdem nur laienhaft nachgebaut. Die UWP Apps selber fühlten sich natürlich an, wie auf dem Desktop - schließlich waren es die exakt gleichen Apps. Mit CShell wird dieses Prinzip aber auch auf die Betriebssystem-Oberfläche übernommen und damit ist das Display nur noch ein austauschbares Gerät. Leider sind die Neuigkeiten hier im letzten halben Jahr genauso eingeschlafen, wie die Weiterentwicklung von W10M. Das heißt aber nicht, dass die Entwicklung schläft - auch wenn es auch nicht das Gegenteil bedeutet.
In der Summe empfinde ich schon, dass es viele Entwicklungen gibt, die auf ein Smartphone mit Windows hindeuten. Sicher gibt es noch genug technische Schwierigkeiten und erst einmal muss die Plattform überhaupt auf dem Snapdragon 835 laufen. Wenn diese Schwierigkeiten aber behoben sind und mit dem 845 die zweite Generation eingeläutet wird, sollte Microsoft wirklich in Erwägung ziehen, Telefonie auf ihrem Betriebssystem zu aktivieren. Auch am Laptop kann ich mir sinnvolle Use-Cases damit vorstellen. Und … es wäre der wichtigste Schritt in Richtung Windows Phone, Windows Mobile oder einfach nur Windows (mit Telefon-App).